100% Abenteuer statt 100% Behinderung – eine Tour mit dem Elektrorollstuhl
420 km in 7 Tagen durch Norddeutschland

Mit dem E-Rollstuhl von Bielefeld über Hamburg und Cuxhaven nach Bremerhaven in sieben Tagen.

 

Der unten stehende Text war eine Pressemittteilung von der E-Rollstuhltour durch Norddeutschland, die ich erfolgreich 2016 durchgeführt hab. Meine Erfahrungsberichte sind ebenfalls zum Nachlesen auf dieser Seite zu finden. Zahlreiche Zeitungsartikel sind über diese Tour erschienen.

 

Bielefeld. Mein Name ist Matthias Klei, ich wurde 1970 in Ostwestfalen geboren und bin seit meiner Geburt Tetraspastiker. Ich bin ein aktiver Rollstuhlfahrer, der trotz seiner Behinderung, welche laut Gesetz 100% beträgt, ein selbstständiges Leben durch Assistenz führt.

Seit 2013 fahre ich regelmäßig - das heißt mindestens einmal pro Monat - nach Hamburg. Ich habe mich in die Stadt mit ihrem besonderen Flair, ihrem Hafen sowie ihren verschiedenen Angeboten und Möglichkeiten verliebt. Ich bin ein Mensch, der immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist und seine Grenzen neu auslotet, daher kam mir die Idee, mit dem E-Rollstuhl nach Hamburg zu fahren. Mithilfe meiner Assistenten (mein Team besteht aus durchschnittlich 12 Assistenten, die mich in meinem Alltag begleiten), einer zweimonatigen Vorbereitungszeit und der freundlichen Unterstützung der Firma Meyra GmbH aus Kalletal-Kalldorf (www.meyra.de), die mir für mein Vorhaben den geeigneten E-Rollstuhl zu Verfügung stellte, spezifizierte sich die Reise immer mehr.

Die ursprünglich geplante Route von Bielefeld nach Hamburg über die Lüneburger Heide hat sich nun sogar noch ausgeweitet. Mein Ziel ist, innerhalb von sieben Tagen von Bielefeld über Hamburg und Cuxhaven bis nach Bremerhaven zu fahren, sodass wir, einige meiner Assistenten, Freunde und ich, im Schnitt 50 bis 70 km pro Tag fahren müssen. Aufgrund meiner Tetraspastik (durch erhöhte Eigenanspannung der Skelettmuskulatur ist die Bewegungsfreiheit meiner Arme und Beine eingeschränkt, bzw. schwer zu kontrollieren. Auch meine Feinmotorik ist sehr stark beeinträchtigt) ist es für mich sehr anstrengend und schwierig, den E-Rollstuhl auf langen Strecken zu bedienen. Bei Erschütterungen muss ich den Gashebel des E-Rollstuhls ruhig halten, was bei einer Geschwindigkeit von bis zu 12 km/h eine Kunst für sich ist. Damit dies bei meiner großen Tour klappt, habe ich bereits zwei Monate fleißig in und um Bielefeld herum das Fahren trainiert und mich an den neuen E-Rollstuhl gewöhnt.

Noch dazu habe ich in Zusammenarbeit mit meinen Assistenten eine Eigenkonstruktion ausgetüftelt, welche meinen Arm bequem an der Lehne des E-Rollstuhls fixiert. So sollte es mir nun möglich sein, die Tour anzutreten und ohne einen Unfall zu überstehen. Meinen Spasmus kann ich zwar bedingt austricksen, jedoch nicht abschalten. Daher hoffe ich, dass er mir keinen Strich durch die Rechnung macht  … immerhin werde ich auf der Reise ca. sieben bis neun Stunden pro Tag unterwegs sein und unter ziemlicher Anspannung stehen. Durch die erhöhte Anspannung meiner Muskeln über einen längeren Zeitraum könnten körperliche Beschwerden auftreten, welche mich dazu zwingen würden, die Tour abzubrechen. Um dem entgegenzuwirken, wurden meine Assistenten im Vorfeld durch meinen Physiotherapeuten mit genauen Instruktionen, welche zu meiner körperlichen Entspannung dienen, angeleitet. Zusätzlich habe ich mir einen Trinkbeutel, welcher auch von Radfahrern oder Wanderern genutzt wird, besorgt, sodass ich während der Fahrt ohne einen Zwischenstopp selbstständig trinken kann. Dies entlastet meine Assistenten, wir verschwenden keine kostbare Zeit und können versuchen, die Durchschnittsgeschwindigkeit von 8 bis 10 km/h zu halten.

Auf der Tour begleiten mich Assistenten und Freunde, die Spaß am Fahrradfahren und Zelten haben. Wir werden unsere Nächte hauptsächlich auf Camping- und Zeltplätzen verbringen, spontane Übernachtungen auf Bauernhöfen können jedoch eine Alternative bieten, sollten wir unser Tagesziel verfehlen oder darüber hinauskommen. Die Tour wurde anhand einer Radkarte geplant und bei den ausgewählten Camping- und Zeltplätzen darauf geachtet, dass der E-Rollstuhl aufgeladen werden kann. Allerdings erkundigten wir uns bei dieser Reise im Vorfeld nicht telefonisch darüber, ob die Plätze behindertengerecht ausgestattet seien. Bisher gab es noch keine Hürde, die ich mit meinen Assistenten nicht gemeistert habe ... wir sind ein eingespieltes und einfallsreiches Team.

Damit ich auch ohne E-Rollstuhl in die engsten Räumlichkeiten komme, haben wir noch einen kleinen Faltrollstuhl dabei. Auf meinen bisherigen Touren begegneten uns ständig nette und hilfsbereite Menschen, die uns zur Seite standen, und wir gehen davon aus, dass uns diese Hilfsbereitschaft auch auf dieser Reise begegnet. Jede Reise birgt neue Abenteuer und Herausforderungen für meine Assistenten und mich und gerade das ist ja auch das Wertvolle am Reisen. Teilweise entwickelten sich aus Bekanntschaften von solchen Reisen auch Arbeitsverhältnisse und Tourbegleiter oder Helfer wurden zu Assistenten.

Des Weiteren gibt es noch zwei Aspekte der Reise, die mir sehr am Herzen liegen.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass eine 100%ige Behinderung weder das Leben, noch die Träume und Aktivitäten eines Menschen einschränken sollte. Auch wenn ein Großteil der Gesellschaft der Meinung ist, dass Menschen mit Behinderung nicht eigenständig leben können, sondern in Einrichtungen mit Heimcharakter betreut werden müssen, heißt dies noch lange nicht, dass ich mich dem beugen muss. Ich verneine dieses Konzept vehement. Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, wie es in der Menschenrechtskonvention niedergeschrieben steht.

Seit Jahren kämpfen wir um ein neues Teilhabegesetz. Im Dezember 2016 wurde nun ein Gesetz (Bundesteilhabegesetz - BTHG) verabschiedet, welches für Menschen mit Behinderung eher negativ ausfällt.

Im Vorfeld wurde über das kommende Gesetz mehrere Jahre diskutiert und ich war voller Zuversicht, dass sich einiges zum Positiven ändern würde. In letzter Minute wurde das Gesetz jedoch dermaßen verändert, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nun eher verhindert als gegeben wird. Jeder redet von Inklusion, aber die Politik macht gerade das Gegenteil. Wer sich mehr über dieses Thema informieren möchte, sollte die Internetseite www.NichtMeinGesetz.de oder #NichtMeinGesetz besuchen.

Ich habe es mir außerdem seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, die Gesellschaft mehr über Menschen mit Behinderung aufzuklären und wachzurütteln. Daher versuche ich durch meine Aktionen, wie beispielsweise die Reise, Vorurteile abzubauen und den Fokus der Menschen darauf zu lenken, dass ich nicht in Watte gepackt werden möchte. Ich möchte einfach ein ganz normales Leben führen können, wie jeder nicht behinderte Mensch auch. Aus diesem Grund habe ich auch meine Internetseite www.matthias-klei.de ins Leben gerufen. Hier zeige ich anhand vieler Beispiele aus meinem Leben, was trotz einer 100%igen Behinderung möglich ist und möglich sein sollte.

Die Gesellschaft drückt mir schnell den Stempel eines Behinderten auf ... ich frage mich manchmal, ob ich nicht viel mehr leiste oder wage als manch nicht behinderter Mensch. Mein Augenmerk liegt darauf, anderen Mut zu machen, mal etwas zu wagen oder auszuprobieren. Vieles ist möglich, wenn man es will.

Ich zum Beispiel gehe mit Geräten und Unterstützung bis zu 10 Meter tief tauchen, fahre Ski und Trike mit Begleitung oder gehe, wie in diesem Fall, reisen. Man muss sich sein Leben erarbeiten und aufbauen. Ich habe damit im Alter von 14 Jahren begonnen, als ich mit den Pfadfindern unterwegs war. Mit der Zeit traut man sich immer mehr zu.

Nun bin ich an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr darum geht, mir etwas aufzubauen, sondern meine Vorhaben, welche immer spektakulärer werden, zu realisieren.

Hierfür suche ich stetig nach Sponsoren, welche mich bei meinen Abenteuern in jeglicher Form unterstützen.

Im weiteren Verlauf werde ich die Route noch etwas detaillierter darstellen. Wer Lust hat, kann jederzeit einsteigen und sich anschließen. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir dem Inklusionsgedanken auf dieser Reise ein Gesicht geben und ihn ausleben könnten.

Wer hierzu mehr erfahren möchte, kann mich jederzeit und auch während der Tour über das Kontaktformular erreichen.

 

1. Etappe / 8. August 2016 / 9:00 Start

Bielefeld – Enger – Hiddenhausen – Löhne – Bad Oeynhausen – Porta Westfalica – Minden – Petershagen.
[ 71,3 km / 8:55 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz Lahde, Am Wehr 5, 32469 Petershagen,
(www.campingplatz-petershagen.de)

 

2. Etappe / 9. August 2016 / ca. 11:00 Start
Petershagen – Windheim – Heimsen – Wasserstraße – Loccum – Rehburg – Weißer Berg – Eilvese – Hagen – Amedorf am Rübenberge.

[ 62 km / 7:45 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz Franzsee, Amedorfer Straße,
(www.franzseebad.de)

 

3. Etappe / 10. August 2016 / ca. 11:00 Start
Ab dieser Etappe geht es auf den Leine-Heide-Radweg bis Hamburg
Amedorf am Rübenberge – Mandelsloh – Brase – Niedernstöcken – Schwarmstedt – Bothmer – Büchten – Ahlden – Hodenhagen – Basselmannsheide – Düshorn – Meinerdingen – Bad Fallingbostel – Dorfmark – Camping Imbrock (Soltau)

[ ca. 60 km / 7:30 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz Imbrock, Imbrock 4, 29614 Soltau,
(www.camping-freizeithof-imbrock.de)

 

4. Etappe / 11. August 2016 / ca. 11:00 Start
Camping Imbrock (Soltau) – Soltau – Neuenkirchen – Sprengel – Vahlzen – Schülern – Wieckhorst – Schneeverdingen – Niederhaverbeck – Wilsede – Undeloh – Wesel – Holm Seppensen

[ ca. 46 km / 5:45 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz Hannes Henk, Weg zum Badeteich 20-30, D-21244 Buchholz Holm-Seppensen,
(www.campingplatz-nordheide.de/)

 

5. Etappe / 12. August 2016 / ca. 10:00 Start
Ab den Landungsbrücken geht es auf den Elbe-Radweg bis Brunsbüttel
Camping Holm – Seppensen – Buchholz – Staatsforst Rosengarten – Vahrendorf – Bahnhof HH Harburg – HH Wilhelmsburg – Veddeler Damm – Reiherdamm – St.Pauli Elbtunnel –

Astra Biergarten / Landungsbrücken 2, Rast (Nachmittag – ca. 15:30 Uhr)

 – HH Blankenese – HH Wedel (Camping ElbeCamp)
[ ca.54 km / 6:45 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz ElbeCamp, Falkensteiner Ufer 101, 22587 Hamburg,
(www.elbecamp.de/)

 

6. Etappe / 13. August 2016 / 9:00 Start
Elbe Camp (HH Wedel) – Hörn (Kollmar, Elbdeich-Camping)

[ ca. 31 km / 3:53 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Elbdeich-Camping Kollmar/Hörn, Johann von Drathen, Kleine Kirchreihe 22, 5377 Kollmar,
(www.elbdeich-camping.de)

 

7. Etappe / 14. August 2016 / 10:00 Start
Hörn (Kollmar) – Brunsbüttel – Fähre Cuxhaven – Zug nach Bielefeld
[ ca 40,4 km / 5:00 h (8 km/h) ]

 

Alternativ: 6. (= 6+7). Etappe am 13. August 2016 / 9:00 Start
Elbe Camp (HH Wedel) – Hörn – Brunsbüttel (Campingplatz „Am Elbdeich“)

[ ca 71,4 km / 8:56 h (8 km/h) ]

Übernachtung: Campingplatz „Am Elbdeich“, Soesmenhusen 30, 25541 Brunsbüttel,
(http://www.schleusenmeile-brunsbuettel.de/uebernachtung/campingplatz-am-elbdeich.html)

 

-) 7. Etappe / 14 August 2016 / 10:00 Start
Ab dieser Etappe geht es auf den Nordseeküsten-Radweg
Fähre Brunsbüttel – Cuxhaven – Döse – Duhnen – Arensch – Dorumer – Neufeld – Wremen – Bremerhaven – Zug nach Bielefeld

[ ca. 58 km / 7:15 h (8 km/h) ]´

 

 

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